Einfach nur ein Spaziergang mit Hund?

ODER

Die Grat-Wanderung zwischen Hunde-Entertainer und Null-Bock-Mitläufer


Na – fühlst du dich angesprochen lieber Hundefreund? Erlebst du diese Grat-Wanderung das eine oder andere Mal bei den täglichen Unternehmungen mit deinem Hund? Und zu welcher Kategorie zählst du dich selbst?
Tag für Tag bevölkern Scharen von Hundebesitzern mit ihren Tieren die Landschaften rund um ihre Wohngebiete. Da gibt es zum Beispiel diejenigen mit den absolut verträglichen Hunden, die sich bevorzugt dort herumtreiben, wo man quasi zu jeder Tages- und auch Nachtzeit andere Hunde-Leute antrifft. Die haben oder machen es sich einfach. Der Hund trifft, ebenso wie Herrchen oder Frauchen, seine Kumpel und bewegt sich spielend und tobend von A nach B, während die Menschen plaudernd einherschreiten. Zwar kann man dies nicht als die Gemeinschaft von Mensch und Hund förderndes Erlebnis bezeichnen aber zumindest sind alle beschäftigt.

Dann sind da auch noch die, die sich ab und zu mal mit Gleichgesinnten verabreden, um gemeinsam mit mehreren Menschen und Hunden spazieren zu gehen. Da kommt sicher nicht die große Langeweile beim Hund auf. Doch Mensch unterhält sich mit Mensch und die Hunde bleiben mehr oder minder unter sich.

Aber es gibt auch die Spezies von Hundebesitzern, die, aus welchen Gründen auch immer, mit ihrem Hund oftmals alleine unterwegs sind. Sei es, weil Mensch oder Hund mit anderen Menschen oder Hunden nicht so gut auskommen, sei es, weil sich kaum Gesellschaft für unterwegs findet oder, weil man einfach Lust dazu hat, den Spaziergang mit dem Hund gemeinsam zu gestalten.
Für all diese Menschen ist mein Artikel gedacht.

Ich habe es inzwischen aufgegeben, mich zu wundern, wenn ich von anderen Hunde-Leuten höre, die sich verärgert oder im schlimmsten Falle belustigt darüber äußern, dass ihr Vierbeiner sich in einem riesigen Radius um seinen Menschen herum bewegt oder dass er evtl. auch schon mal im Wald verschwindet um nach „nur“ zehn Minuten wieder auf der Bildfläche zu erscheinen.

"Und tschüss..."

Ebenso wenig verwunderlich ist es, dass manch gelangweilter Hund sich sofort verabschiedet, wenn er irgendwo am Horizont andere Hunde und somit eine Möglichkeit zur innerartlichen Kontaktaufnahme wittert.
Auch ein vorbeikommender Jogger, ein Radfahrer oder Passanten können so schnell zum Highlight für den ansonsten unterbeschäftigten Hund werden.

Ich ärgere mich darüber. Eins ist sicher: Mitgehangen-mitgefangen. Ich bin eben auch Hundebesitzer und versuche bestmöglich Rücksicht zu nehmen auf meine Mitmenschen und andere Geschöpfe. Ich denke dabei zu Recht an die verärgerte Jägerschaft, an andere Hundebesitzer und diejenigen Menschen, die ganz einfach von Hunden unbehelligt bleiben wollen.

Die Einstellung der Besitzer nach dem Motto „Das hat er ja noch nie gemacht“, „Der will doch nur spielen“ und „Der tut dem Reh ja gar nix“ ist für mich persönlich inakzeptabel!

Viele hundetypische und hundehaltertypische Probleme entstehen durch eine mangelnde Ausbildung beider, aber leider ist es genauso häufig ein „arbeitsloser Hund im Leerlauf“, der sich und seiner Umwelt Probleme bereitet.

Haben diese Menschen denn keine Fantasie? Lesen sie keine Hunde-Bücher –oder Zeitschriften? Haben sie eine Fachhandlung für Heimtierbedarf noch nie von Innen gesehen? Sind sie nicht in der Lage, sich ein paar Leckerchen und ein Spielzeug in die Tasche zu stecken, bevor sie zum Spaziergang aufbrechen?

"Die Auswahl ist riesig"

Oder wollen sie vielleicht gar keine Beschäftigung für ihren Hund? Betrachten sie diesen nur als netten Begleiter oder gar Beschützer bei ihren Ausflügen in die Natur, bei denen sie sich gedanklich um die Probleme der Familie, der Welt oder ihres Berufes drehen, Gedichte verfassen, mit dem Handy telefonieren oder Musik hören?

Natürlich gibt es Situationen oder Tage, an denen auch mein Kopf mit völlig anderen Dingen beschäftigt ist und ich mich einfach nicht auf das gemeinsame Spaziergeh-Erlebnis mit meinem Hund konzentrieren kann. Vielleicht, weil mich Sorgen plagen, vielleicht auch, weil eine Erkältung im Anmarsch ist. Manchmal freue ich mich auch, wenn ich in Begleitung einer Freundin oder eines Freundes unterwegs sein kann, aber bei all diesen Gelegenheiten und sicher noch einigen anderen, bin ich mir darüber im Klaren, dass es für meinen Hund gerade jetzt langweilig werden könnte. Und wenn ich dann weiß, dass ich der Verantwortung meinem Hund und der Umwelt gegenüber in diesen Momenten nicht Genüge tun kann, dann mache ich an solchen Tagen eben meine Spaziergänge lieber ausnahmsweise mal mit Leine.
Denn kein Hund der Welt käme auf die Idee, einfach mal „nur so“ spazieren zu gehen. Ohne dabei wissenschaftlich zu werden, sollte es jedem logisch erscheinen, dass ein Hund keinen Grund darin sieht, einfach durch die Landschaft zu schreiten. Auch um sein Geschäft zu erledigen, ist ein Spaziergang nur bedingt notwendig. Ausgewilderte Hunde oder auch Wölfe gehen nicht spazieren. Sie gehen sicherlich auch nicht Schaufenster gucken in der Stadt. Sie sind unterwegs um Beute zu machen oder die Grenzen ihres Territoriums abzuchecken. Wer also glaubt, sein Hund wäre glücklich ausgelastet, wenn er mehrmals täglich für eine gewisse Zeit „nur“ mit ihm spazieren geht, der irrt. Nicht die Quantität der zurückgelegten Kilometer macht es, sondern die Qualität eines einzelnen.

Die Möglichkeiten zur Beschäftigung sind vielfältig. Da wäre z.B. das persönliche Lieblingsspielzeug von meinem Hund und mir – der Futter-Dummy. Manch einer wird nun empört aufstöhnen, weil ein Dummy kein Spielzeug sondern ein „Arbeitsmittel“ ist. Nun – für uns ist er etwas, womit man viel Spaß haben kann und womit sich, über den Spaß hinaus, mein Hund sein Futter verdienen kann. Manche Hunde haben das Apportieren quasi mit der Muttermilch aufgesogen und wissen vom ersten Tag an, dass man ein solches Ding aufheben, tragen und seinem Menschen bringen kann. Für alle anderen ist eine gewisse, nicht sehr aufwändige Einarbeitung erforderlich. Mit einem Dummy kann man, sofern man möchte, einen Spaziergang von Anfang bis Ende gestalten, ohne dass auch nur eine Übung genauso ist wie die andere. Der Dummy kann, als einfachste Form der Dummy-Arbeit, geworfen werden – der Hund wird geschickt, bringt den Dummy, gibt ihn aus und bekommt dafür eine Belohnung in Form eines Leckerchens oder einer Portion Futter. Man kann den Dummy verstecken – unter Laub, in Schotter, hinter Bäumen, im Waldboden, auf gestapeltem Holz (bei dem man sich vorher überzeugt hat, dass es ganz sicher nicht wegrollen kann), im hohen Gras, an einem Ast hängend usw. Man kann mit dem Dummy eine Geruchsspur legen, indem man ihn an einer Schnur zieht, anfangs ein oder zwei Rechte Winkel einbaut und diese Spur mit der „Beute“ am Ende dann vom Hund absuchen lässt. Es gibt spezielle Wasserdummys, die der Hund aus dem nächsten Weiher oder Fluss an Land holen kann. Man kann den Hund nacheinander auf mehrere ausgelegte Dummys schicken, kann die Dummy-Arbeit mit Gehorsamsübungen verbinden oder den Hund einen geworfenen Dummy aus der Luft fangen lassen.

"Bei der Arbeit"

Vieles davon funktioniert natürlich auch mit anderem Spielzeug. Aber auch wenn man kein Fan von Hunde-Zubehör ist und keine Utensilien mit sich herum tragen möchte, so bleibt zumindest die Möglichkeit der Leckerchen-Spiele. Leckerchen kann man, im Gegensatz zum Dummy nicht hinter sich herziehen und der Hund wird sie wahrscheinlich auch nicht apportieren. Aber auch Leckerchen können im Gras, zwischen Steinen oder in sauberen Pfützen verstreut werden, damit der Hund sie mit seiner guten Nase suchen muss. Diese Art von Spiel eignet sich auch für ältere Hunde und solche, die nicht (mehr) viel laufen und springen wollen oder können. Mit weichen Leckerchen kann man sogar Spuren an Bäumen legen, indem man die Käse- oder Wurststückchen in die Rinde drückt. So muss der Hund sich dann sogar mal auf seine Hinterbeine stellen und ordentlich strecken, um alles zu erreichen. Überall in der Natur finden sich Versteckmöglichkeiten für Futter, Spielzeug oder auch den Menschen selbst. Wenn der Hund gerade mal wieder völlig unaufmerksam voraus läuft, springt man geschwind hinter den nächsten Busch oder Baum und freut sich ein Loch in den Bauch, wenn er bemerkt hat, dass er plötzlich scheinbar ganz allein unterwegs ist und sich aber nun doch schnell mal auf die Suche nach seinem Menschen macht. Wenn man mit mehreren Menschen unterwegs ist, vielleicht mit Kindern, eignet sich dieses Spiel auch, um dem Hund Unterscheidungen beizubringen. Da wird dann ganz gezielt nach Fritzchen oder Lieschen gesucht und wenn der Vierbeiner dann den jeweiligen Zweibeiner gesucht und gefunden hat, freuen sich alle zusammen und die Bindung zwischen Mensch und Tier wird spielerisch gefördert und verstärkt. Es sollte immer ein gemeinsames Erleben für alle Beteiligten sein und kein bloßes Nebeneinander.
Ist der Hund ein sportlicher Typ, hat er sicher Spaß daran, wenn Herrchen oder Frauchen Dinge in der Natur finden, die man als natürliche Sportgeräte nutzen kann, zum Springen, Klettern oder Balancieren. Baumstämme, Ruhebänke (den Dreck von matschigen Hundepfoten kann man zur Freude der anderen Wanderfreunde ja nach Benutzung wieder wegwischen!), Bachläufe oder niedrige Hecken eignen sich wunderbar zum Springen. Über Bänke kann man nicht nur klettern oder auf ihnen sitzen, man kann auch drunter durchrobben, wobei man sich vorher überzeugen sollte, dass weniger freundliche Zweibeiner keine Scherben von zerbrochenen Flaschen dort hinterlassen haben. Sicherheit und Rücksichtnahme sollten stets an erster Stelle stehen.

"So klein und doch so groß"

Wer Probleme damit hat, dass sein Hund im heimischen Garten gerne die Beete umgräbt, kann diese Buddelleidenschaft seines Vierbeiners nutzen und umlenken, indem er Mauselöcher in einem unbeobachteten Moment mit Leckerchen präpariert und auf ein Signal hin den Hund dort zum Graben animiert. Der Vierbeiner wird schnell gelernt haben, dass es sich nur dort zu graben lohnt, wo sein Mensch ihn hinschickt, denn eine Maus ist selten so langsam, dass sie sich von einem grabenden Hund aufstöbern und fangen lässt. Auch hier gilt jedoch wieder das Gebot der Rücksichtnahme, nämlich dass der Landwirt zu Recht in seinen genutzten Flächen keine Buddellöcher haben will!

Die Gratwanderung bei alldem ist, dass man nicht zuviel aber eben auch nicht zu wenig macht. Wer bei meinen Beschreibungen feststellt, dass er all die Vorschläge und noch viele weitere dazu, tagtäglich mit seinem Hund absolviert, wird sich hier vielleicht als Hunde-Entertainer wieder erkennen. Wem meine Ausführungen zur Beschäftigung völlig fremd sind, outet sich nun vor seinem Hund nun als Null-Bock-Mitläufer und gelobt (hoffentlich) feierlich Besserung. Letzteren kann ich nur empfehlen, die eine oder andere Idee schnellstmöglich auszuprobieren. Nur so kann man feststellen, wie viel Spaß ein Spaziergang mit Hund machen kann, den man tatsächlich miteinander und gemeinsam und nicht nur neben- oder hintereinander erlebt.

Ein zufriedener, glücklicher und ausgelasteter Hund wird kaum noch Interesse daran haben, sich angenehme Erlebnisse woanders zu suchen als bei und mit dem Besitzer. Er wird sich mehr auf seinen Zweibeiner fixieren und ihn nicht mehr stehen lassen weil irgendwo für ihn etwas interessanter zu sein scheint.

Allen Hunde-Besitzern wünsche ich, dass sie für sich und ihren Vierbeiner eine goldene Mitte finden. Einen Mittelweg der gemeinsame Aktivitäten und spannende Spaziergänge genauso beinhaltet, wie auch Spaziergänge in Gesellschaft der jeweiligen Artgenossen oder solche, bei denen es einfach mal sehr ruhig zugeht. Der ewig fröhliche Animateur kann auf die Dauer genau so langweilig oder sogar nervend werden wie der immer ruhige Naturbeobachter, der seinen Hund nur begleitet.

(c) C.Ising, HARMONIE MIT HUND, www.hundeschule-gaden.de

 

(erschienen in der Zeitschrift „Schnauzenecho“ 2007)

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