Wir wollen keine Hunde...

 

(mit freundlicher Genehmigung von Nikolaus Stoppel)

Dieser Text ist persönlich eingefärbt, sehr, und er beschreibt an vielen Stellen Spitzen, aber am Ende ist er aus Erfahrung aus der täglichen Tierschutzarbeit und Trainertätigkeit entstanden und somit auch leider wahr. Wir wollen keine Hunde … – „Doch, sonst hätten wir sie ja nicht“ werden jetzt viele schreien, aber was wollen wir denn? Wir wollen einen Freund, Beschützer, Kindersatz, Freundersatz, Partnerersatz, Sportgerät, wir wollen Liebe, Preise, Pokale, Anerkennung, wir sind interessiert, fasziniert und oft verliebt. Wir investieren Unmengen von Zeit und Geld darein unseren Hund mit allem auszustatten was er unserer Meinung braucht oder möchte. Genau so viel Zeit und Geld investieren wir in seine Ausbildung, Erziehung und Therapie.

 

Und noch einmal so viel Zeit verbringen wir in Foren und Gruppen um uns zu streiten, darüber was ein Hund braucht und möchte, welches die einzig wahre Ausbildung, Erziehung und Therapie wäre. Wir denken mehr über unsere Hunde nach als über unsere Partner, und wenn schon nicht das, dann auf jeden Fall mehr als über unsere Nachbarn, die Menschen die Haus an Haus mit uns wohnen. Auf Facebook und auf ähnlichen Plattformen stapeln sich die Aufrufe, dass man Hunde nicht im Auto lassen soll bei Hitze… Dass das für Kinder auch gilt fällt dabei unter den Tisch. Und obwohl wir all das tun sage ich: Wir wollen keine Hunde… Ein sehr guter und kluger Freund von mir sagte einmal: „Hunde streiten sich, sabbern, jagen und haben Sex.“ Natürlich machen Hunde auch andere Sachen, aber so sind sie eben auch, und das zu großen Teilen, denn wenn das nicht so wäre, wäre ich arbeitslos. Wir wollen einen Hund der sich mit allen versteht, mit uns natürlich auch. Schließlich ist der Hund der auf der Welt mit dem wir nicht streiten wollen, oder auch der über den wir Macht haben wollen.

 

Er soll unser Vertrauter sein, mehr als jeder Mensch es wäre, und mit so jemandem streitet man nicht. Und weil wir ihn so lieben soll er uns genau so lieben, alles bedingungslos erwidern. Dazu soll er sich mit jedem verstehen, sich von jedem anfassen lassen, mit jedem spielen. Und das gilt für Menschen wie Hunde. Streit auf der Hundewiese? Undenkbar! Streit zu Hause? Katastrophe, denn Hunde streiten schnell und unbürokratisch, und sie klären Dinge. Und so wird etwas ganz normales zu einem Drama, denn wir Menschen streiten anders, wir reden, auch gerne um den heißen Brei, und nur allzu gerne meiden wir den Konflikt. Warum sich zwei Rüden gleichen Kalibers nicht mögen? Man müsste fragen: Warum sollten sie? Wir haben uns einen Partner und Freund gewählt dessen Sozialverhalten von bis zu 80% durch agonistische Verhaltensweisen bestimmt wird, aber wir wollen nur die 20%.

 

Bei uns Menschen ist das übrigens gar nicht so anders, sei es die Schlacht am Kuchenbuffet, eine Liebesbeziehung oder die Platzreservierung am Hotelpool. Mit unserem Hund wollen wir aber nur die verbliebenen 20% teilen, denn das fühlt sich schöner an. Und so klickern wir, keksen, singen und säuseln, versuchen es lieber mit tausend „Jas“ als mit einem „Nein“. Denn wir Menschen sind witzig: Ein Nein am Hund ist Gewalt, anders als beim Menschen. Und nur EINE schlechte Erfahrung reicht aus um ein Jahr Training zu ruinieren. Wir holen uns einen Wach- und Schutzhund, noch besser einen Herdenschützer ins Haus damit es sicher vor Einbrechern ist oder weil wir sie hübsch finden, wir wollen trotzdem, dass der Hund jeden mit offenen Armen empfängt… Wollen wir also einen Hund oder doch eher das was wir uns erträumen?

 

Niemand will einen Hund der jagt, denjenigen der ihn braucht mal ausgenommen. Trotzdem schaffen wir uns Jagdhunde an, weil sie uns gefallen. Wir züchten sie gar, ohne dass wir sie dann an Jäger verkaufen würden, vielleicht wegen ihres Äußeren, vielleicht weil uns etwas an ihnen gefällt, ihre Kraft, Ausdauer, ihre Freundlichkeit, was auch immer. Nur jagen, jagen soll der Jagdhund nicht. Und so hat man dann einen Hund, der oft lebenslang an einer Leine hängt, oder wir trainieren wieder, vom ersten Tag an, damit er bloß nie zeigt was in ihm steckt. Und natürlich erziehen wir sie wie Freunde, nicht wie die (vernünftigen) Jäger es tun, die wissen was sie haben, denn die sind böse zu ihren Hunden. Natürlich jagen auch andere Hunde, es sind immerhin domestizierte Beutegreifer und natürlich auch Aasfresser.

 

Aber wie gesagt: WEHE sie sind Hund. Wir kaufen ja nicht zum Spaß Futter, das strukturell in etwa so aufgebaut ist wie altes Brot, appetitliche trockene Klumpen mit 4% Fleisch und ohne für uns störenden Eigengeruch. Ein herzhafter Biss in einen Pferdeapfel, verträumt an einem gefundenen Kadaver lutschen, ist den wenigsten vergönnt. Warum? Weil wir es eklig finden. Hat aber mal jemand seinem Hund dabei zugesehen und gesehen wie glücklich er aussieht, wenn er stinkend wie eine Jauchegrube wieder da ist? Mal ganz zufrieden einfach Tier ist? Wenn ein vollkommen irrer Balljunkie übrigens mit Lollieaugen und vollkommen gefangen in seiner Sucht zu uns aufschaut, sind wir eher bereit zu sehen, dass er glücklich ist … Bälle sind halt hygienischer. Das soll jetzt nicht heißen, dass Hunde jagen sollen, sollen sie nicht, denn auch Wildtiere haben das Recht in Ruhe zu leben, es soll nur heißen, dass man doch wenigstens die Spezialisten da lassen könnte wo sie sein können was sie sind. Und vor allem, dass man nicht aus jeder Hunderasse ein Ausstellungs- oder reines Familientier machen muss. Denn wenn er nicht das tun soll wofür er geboren wurde: Wozu wollen wir ihn dann?

 

Und dann der Sex … Wir als so gut wie einziges Wesen auf dieser Erde, das Sex nur zum Vergnügen hat, können nicht damit leben, dass unser Freund und Partner Hund auch nur einen Gedanken daran verschwendet … – verrückt, oder? Wir sprechen heute von einem UNkastrierten Rüden als wäre das eine Krankheit, als wäre vergessen, dass das eigentlich der Normalzustand ist. Wie oben dargestellt nehmen wir alles für unsere Hunde in Kauf, unendlich viel Zeit und Geld opfern wir unserem Freund … Aber WEHE die Hündin blutet in der Läufigkeit den Teppich voll und der Spaziergang wird unruhig zweimal im Jahr … Und WEHE der Rüde kommt in die Pubertät und findet vieles viel interessanter als es ist … das WIDERLICHE Aufschlecken von Urin (es dient ausschließlich der Nutzung des Jacobsonschen Organs) und das viele Markieren, das SCHRECKLICHE Posen und Imponieren, dass unsere Harmonie stört … Da hilft nur eins: Kastration – und das meist einfach weil Hunde Hunde sind. Und dann legen wir unseren Freund unters Messer, schulterzuckend, und schneiden ihn für unser Wohlbefinden zurecht. Interessant an dieser Stelle: Begegnet uns ein Hund mit kupierten Ohren oder gar kupierter Rute, tut er uns leid … die Geschlechtsteile zu verlieren ist aber ok.

 

Und unsere Hunde? Sie verzeihen uns, dass wir Idioten sind, dass wir eigentlich gar nicht so viel mit ihnen zu tun haben wollen, sondern mehr mit dem was wir brauchen um unsere Leere zu füllen. Und sie scheinen sich zu mühen uns diesen Wunsch zu erfüllen. Und wenn es ihnen nicht mehr gelingt? Dann bleibt das Tierheim oder die Spritze, und auch diesen Weg gehen sie mit uns, wie jeden anderen auch.

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